CI-Nutzer und Musikant Walter Widler im Gespräch

Walter Widler bezeichnet sich selbst als Musikant und legt Wert auf die Unterscheidung zu Musikern. Mit seinen verschiedenen Ensembles umrahmt er Feiern und Veranstaltungen musikalisch. Er spielt Geige, Bratsche, Saxophon und Gitarre. An sich nichts Ungewöhnliches, doch für Walter keine Selbstverständlichkeit – denn er ist gehörlos.

Carmen Kronawettleitner, Senior Project Manager, Awareness – Candidates & Users, MED-EL

Mit dem allmählichen Verlust seiner Hörfähigkeit ging ihm auch die Musik verloren. Dank seines Cochlea-Implantats, seines eisernen Willens und technischer Unterstützung kann er heute wieder aktiv musizieren. HÖREN BEWEGT hat Walter Widler zum Interview gebeten.

Herr Widler, welche Instrumente beherrschen Sie?

Ich spiele Geige, Bratsche, Saxophon und Gitarre. Außerdem singe ich – Stimmlage Bariton-Bass.

Welche Art der Musik spielen Sie hauptsächlich?

Ich spiele Geige in drei Ensembles im nördlichen Weinviertel in verschiedenen Formationen. Unser Schwerpunkt liegt auf nationaler und internationaler Volksmusik – neben der österreichischen vor allem slowakische, tschechische, israelische und irische.

Mit der Gitarre begleite ich Chöre und Gesangsrunden. Außerdem musiziere ich mit einem Mundharmonika-Ensemble. Dank der Gitarrenbegleitung mit Bass und Akkorden wirkt deren Klang viel voller.

Wie begann Ihre musikalische Laufbahn?

Meine Mutter, die selbst Geige spielte, kaufte mir früh eine Blockflöte. Auch meine Geschwister erlernten alle ein Instrument. Ich wollte irgendwann auch unbedingt Geige spielen und ließ nicht locker, bis ich mit zehn Jahren endlich an die Musikschule durfte. Dort blieb ich zehn Jahre lang und spielte sowohl Solo- als auch Orchestermusik.

Bis vor einigen Jahren konnten Sie sich auf Ihr natürliches Gehör verlassen.

Ja, allerdings nur bedingt. Als ich zwei Jahre alt war, erkrankte ich an einer Grippe, die zur Folge hatte, dass ich weniger hörte. Die Schwerhörigkeit verschlechterte sich zunehmend, und mit zirka zwölf Jahren bekam ich mein erstes Hörgerät am rechten Ohr. Mit 20 Jahren folgte das linke Ohr. In den nächsten Jahrzehnten erlitt ich zahlreiche Hörstürze, bis ich 2002 nur mehr 30% Sprachverständnis hatte.

Dann riet Ihnen Ihr HNO-Arzt zur Implantation?

Leider war das Gegenteil der Fall. Mein damaliger HNO-Arzt, der mich schon lange Zeit in seiner Praxis betreut hatte, wollte von Cochlea-Implantaten nichts wissen. Ein Arbeitskollege empfahl mir, Dr. Wolf-Dieter Baumgartner im AKH Wien aufzusuchen. Diesem Rat bin ich zum Glück gefolgt. 2004 erhielt ich rechts mein CI. Mittlerweile habe ich übrigens einen anderen niedergelassenen HNO-Arzt.

Was verwenden Sie auf dem linken Ohr?

Links höre ich zwar nur noch die tiefen Töne, die durch mein Hörgerät verstärkt werden. Doch dieses natürliche Hören im Tieftonbereich liefert mir beim Musizieren wichtige akustische Details. Ohne CI wäre ich allerdings verloren, nicht nur musikalisch.

Sie wurden 2004 implantiert. Wann begannen Sie wieder, aktiv zu musizieren?

Von 2002 bis 2004 hörte ich so gut wie gar nichts. Ich erwartete mir nach der Erstanpassung nicht, sofort wieder musizieren zu können. Es dauerte eine Weile, bis ich wieder ein für mich akzeptables Niveau erreichte. Das kam natürlich nicht automatisch.

Was trug zu diesem Erfolg bei?

Kurz nach der Implantation absolvierte ich zuallererst ein Hörtraining am AKH Wien. Auch daheim übte ich fleißig, allein und mit meiner Frau. Sie las mir Wörter vor, ich sprach sie nach. Wir fingen mit einsilbigen Zahlen an, damit war meine Trefferquote höher und meine Motivation stieg. Später gingen wir zu Texten über.

Enorm wichtig war für mich die Einstellung des Audioprozessors. Ich ließ einfach nicht locker, bis ich mit der musikalischen Klangqualität zufrieden war. Um das zu erreichen, stelle ich mich seit vielen Jahren als Testperson zur Verfügung. Am AKH Wien und am Institut für Schallforschung bei Dr. Bernhard Laback nehme ich an zahlreichen Studien teil. Auch am Christian-Doppler-Labor Innsbruck verbrachte ich unzählige Stunden, um das Maximum aus meinem Prozessor herauszuholen. Frau Mag. Kreuzer-Simonyan gilt mein großer Dank, denn sie veränderte so lange Filterbände, Stimulationsraten und sonstige Parameter, bis wir beide mit dem Resultat zufrieden waren.

Mit meiner speziellen Musikeinstellung am Prozessor macht das Singen genauso viel Spaß wie das Spielen meiner Instrumente.

Gerade ein Saiteninstrument wie die Geige erfordert ein besonders feines Gehör. Funktioniert das tatsächlich mit dem CI?

Die Violine hat, ebenso wie die Bratsche, keine Bünde, daher muss ich die Saite an der richtigen Stelle drücken, damit der Ton auch wirklich stimmt. Da ich die Saiten nicht sehe, dient mir mein künstliches Gehör als Kontrolle. Seit ich mit der speziellen Musikeinstellung am Prozessor arbeite, stimmen 99% der Töne. Früher lag ich nur bei 70%.

Ein gutes Gehör ist für mich auch beim Zusammenspiel mit Blasinstrumenten unabkömmlich. Die Geige ist in C gestimmt, die Klarinette in B. Ich muss also transponieren und hören, ob das, was ich spiele, richtig klingt.

Die Gitarre hat zwar Bünde, mit denen ich die Töne leichter kontrollieren kann, auf mein Gehör muss ich mich dennoch hundertprozentig verlassen können. Schließlich will ich die Dominant-Septime hören, ebenso die richtigen Akkorde, muss wissen, in welcher Tonhöhe ich anstimme, damit die Sänger richtig einsetzen können – kurzum: ich will spüren und hören, was die Musik alles hergibt.

Spielen Sie denn nicht mit Noten?

Nein, ich spiele und singe eigentlich alles auswendig. Ich kann alles transponieren, das funktioniert auch beim Singen.

Wie viele Stunden musizieren Sie in etwa?

Pro Woche musiziere ich jetzt rund fünf Stunden, mit Proben und Auftritten. In Spitzenzeiten, etwa zu Weihnachten, sind es mehr. Als ich endlich die perfekte Musikeinstellung bekam, übte ich stundenlang, um wieder an mein früheres Niveau anzuschließen. Das Musizieren macht mir unglaublich großen Spaß.

Wie erlebten Sie die Zeit, in der Sie keine Musik machen konnten?

Zwischen 2002 und 2004 war ich als moralische Unterstützung bei den Auftritten meiner Ensembles dabei. Ich stand vom Gefühl her außerhalb, war Zuhörer, ohne zu hören. Es machte mich unsagbar traurig, kein aktiver Teil der Gruppe sein zu können. Als die Cochlea-Implantation im Raum stand, keimte zum ersten Mal wieder Hoffnung auf.

Was schätzen Sie am Leben mit CI besonders?

Dass ich allein zurechtkomme! Wenn ich vor meiner Implantation allein zuhause war, hörte ich weder die Türglocke noch das Telefon. Ich hatte in meiner aktiven Berufslaufbahn regelmäßig Bereitschaftsdienst am Wochenende. Da ich das Telefon nicht hörte, musste ich es spüren. Ich hatte also ständig die Hände am Telefon. Eine ziemliche Einschränkung, wie man sich vorstellen kann!

Das CI hat mir mehr Selbstsicherheit geschenkt. Früher fühlte ich mich oft unsicher, hatte Angst, dass ich etwas überhört oder falsch verstanden haben könnte. Das bessere Hören wirkte sich auch positiv auf meine Partnerschaft und Freundschaften aus. In meiner „gehörlosen“ Zeit befürchtete ich, auf andere unsympathisch zu wirken, wenn ich nicht oder nicht passend antwortete. Diese Ängste plagen mich seit meiner Implantation nicht mehr.