Musik berührt, Musik therapiert

Warum berührt uns eine bestimmte Art von Musik? Und warum lassen uns andere Klänge wiederum völlig kalt? Ja, rufen sogar Aggressionen hervor? Diese Frage beantworten Musikwissenschaftler mit einem komplexen Zusammenspiel von Hormonen, die der Körper ausschüttet. Musik wirkt direkt auf unser Gehirn. Sie aktiviert das limbische System im Zwischenhirn, wo es bei Musik, die uns gefällt, zu einer vermehrten Ausschüttung des Glückshormons Endorphin kommt. Die Hypophyse reagiert ebenfalls: Schnelle Musik wirkt aktivierend, langsame beruhigend.

Diese unmittelbare Reaktion unseres Körpers auf die nicht steuerbaren Funktionen unseres Körpers macht sich auch die Medizin zunutze. Die Musiktherapie erlebte in den vergangenen Jahren eine starke Aufwertung. Botenstoffe, die durch das Hören von Musik ausgeschüttet werden, beeinflussen unbewusst unsere Vitalparameter. Unsere Lieblingsmusik kann zu einer vermehrten Ausschüttung von Serotonin, Dopamin und Oxytocin führen. Gleichzeitig sinkt das Stresshormon Cortisol. Gut für Schmerzpatienten: Die Aufmerksamkeit verlagert sich vom Schmerz zur Musik. Denn das limbische System im Zwischenhirn ist nicht nur Entstehungsort für Emotionen, sondern auch für Schmerz. Die Musik übertönt buchstäblich den Schmerz.

Zahlreiche Studien belegen die entspannende und beruhigende Wirkung vor, während und nach Operationen. Musik als nichtpharmakologische Behandlung wird vielfältig eingesetzt. Das Spektrum reicht von Parkinson über Demenz, von Schlaganfällen und Autismus bis hin zur Onkologie, Psychiatrie und Geburtshilfe, um nur einige Gebiete zu nennen. In einer 2018 in Indien durchgeführten Studie wurde die Wirkung von Musik auf Kaiserschnittpatientinnen untersucht. Einer Gruppe wurde während der Operation mit Epiduralanästhesie Entspannungsmusik vorgespielt, der Kontrollgruppe nicht. Nach dem Kaiserschnitt klagte die Musikgruppe über deutlich weniger Schmerzen als die Kontrollgruppe. Eine Hörminderung galt übrigens als Ausschlusskriterium bei besagter Studie.[1]

Meine schöne Musik – deine schöne Musik

Doch welche Musik empfinden wir als schön und warum? Ob bei einer Person Klassik oder Heavy Metal Gänsehaut erzeugt oder als Krawall empfunden wird, hängt stark von den individuellen Vorlieben und Gewohnheiten ab. Doch es gilt: was wir kennen, mögen wir. Musik ist eng mit unserer Kultur verwoben. Für westlich gestimmte Ohren klingt Musik aus Vorderasien fremd. Ebenso gilt das natürlich auch umgekehrt. Südostasiaten empfinden die für sie ungewohnte europäische Musik als anstrengend. Doch hört man auch ungewohnte Musik oft genug, beginnt sie allmählich zu gefallen. Denn unser auditives Gedächtnis kann auf alles trainiert werden, auf Mozart ebenso wie auf dissonante Musik.

Musik prägt sich von frühester Kindheit an in unser Gehirn ein. Das Gehör ist immerhin der erste Sinn, der sich beim Fötus entwickelt. Das Innenohr mit den wichtigen Haarzellen ist bereits in der 16.-23. Schwangerschaftswoche angelegt.

[1] Intraoperative Meditation Music as an Adjunct to Subarachnoid Block for the Improvement of Postoperative Outcomes Following Cesarean Section: A Randomized Placebo-controlled Comparative Study. Kurdi MS, Gasti V. Anesth Essays Res. 2018 Jul-Sep;12(3):618-624.